Android lässt grüßen: Welche Chancen ein unbequemeres iPhone bringt

Auf dem iPhone war mal alles ganz einfach – das ist jetzt vorbei. Über die Qual der Wahl alternativer App-Läden darf man sich trotzdem freuen, meint Leo Becker.

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Die Rückseite eines iPhone 15 Pro

(Bild: mac & i / tre)

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"Es gibt für alles eine App": Dieser Apple-Werbespruch aus frühen iPhone-Tagen war eine selbsterfüllende Prophezeiung, wenn auch nur die halbe Wahrheit. Zwar gibt es längst für (fast) alles eine iOS-App, aber nur wenn Apple sie in den App Store lässt. Über 15 Jahre lang blockierte der Konzern beharrlich und oft unbegründet ganze App-Kategorien, darunter etwa offene Game-Emulatoren. Zwar gab es häufig Wege, um – zumindest kostenlose – Apps an Apple vorbei aufs iPhone zu bringen, alltags- und massentauglich war das jedoch nie.

Wie groß der Nachholbedarf für einen schön umgesetzten Nintendo-Emulator ist, unterstreicht aktuell die App "Delta". Sie schoss unmittelbar nach der Veröffentlichung am Mittwochabend an die Spitze der US-App-Store-Charts und hält sich dort bislang beständig. In Europa findet sich Delta allerdings nicht im Apple App Store, sondern ausschließlich im ersten alternativen App-Laden "AltStore PAL". Diesen betreibt der Delta-Entwickler selbst, der schon seit Jahren nach Wegen sucht, um seine populäre App einem größeren iPhone-Publikum anzubieten.

Delta ist damit zugleich ein Vorgeschmack auf die große App-Aufsplitterung, auf die sich iPhone-Nutzer in Europa jetzt einstellen müssen – und vor der Apple vergeblich warnte, um die neuen Regeln des Digital Markets Acts abzuschwächen. Die Tage, in denen alle iOS-Apps einfach im App Store auf ihren Download warten, sind jedenfalls gezählt.

Warum Delta nicht auch in Deutschland und anderen EU-Ländern im App Store zu finden ist, kann nur der Entwickler beantworten. Vielleicht möchte er einfach die Kontrolle über den Vertrieb seiner eigenen App behalten – seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit auf Desktop-Betriebssystemen – und dabei auch etwas verdienen: Der Zugang zum "AltStore" setzt ein (mit 1,79 Euro pro Jahr sehr günstiges) Abo voraus, das zumindest etwas Geld in die Kassen des Anbieters spülen dürfte, auch wenn Apple für jede Installation des alternativen App-Marktplatzes mitkassiert.

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Der Delta-Entwickler hat am Wochenende erläutert, warum er Delta in der EU nur über den eigenen AltStore und nicht über den App Store vertreibt: Würde er die App parallel auch in Apples App-Laden anbieten, würde dafür ebenfalls die "Core Technology Fee" fällig, schrieb Testut auf Mastodon, entsprechend hätte er den Emulator deshalb dort nur kostenpflichtig einstellen können.

Für iPhone-Nutzer in der EU wird es jetzt deutlich unbequemer: Es gilt künftig erst herauszufinden, wo es eine App überhaupt gibt und wie sich diese dann aufs iPhone bringen lässt. Besonders simpel hat Apple das "Sideloading" von Apps außerhalb des App Stores nämlich nicht gestaltet, Nutzer müssen eine Abfolge von nicht klar ersichtlichen Schritten meistern, bevor sich Apps aus anderen Quellen installieren lassen. Android-Nutzer können darüber natürlich nur schmunzeln und von Dingen wie alternativen Launchern bleibt iOS noch weit entfernt.

Die neue Freiheit verspricht jedenfalls handfeste Vorteile. Der drohende Wettbewerb durch andere App-Läden hat Apple bereits dazu gebracht, anachronistische App-Store-Regeln zu streichen – zumindest solche, bei denen es den Konzern nicht sonderlich schmerzt. Schließlich durfte Delta überhaupt nur in den Store, weil das Verbot für solche Emulatoren plötzlich gestrichen wurde. Auch Apple scheint klar, was für ein erstaunliches Zugpferd ein Nintendo-Emulator sein kann.

Jetzt muss sich zeigen, welche anderen, bei Apple unerwünschten Apps genug Durchschlagskraft haben, um Nutzer zur Installation alternativer App-Marktplätze oder zu einem Direkt-Download aus dem Web zu bewegen. Als Plattform sind iOS und das iPhone damit über Nacht so spannend geworden wie schon seit vielen Jahren nicht mehr, Dinge wie Virtualisierer und Entwickler-Tools wirken plötzlich greifbar – und einen ersten Clipboard-Manager gibt es bereits im AltStore. Mit leichter Abwandlung funktioniert dann auch Apples alter Werbespruch wieder: Es gibt für alles einen App-Laden.

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(lbe)